Themenschwerpunkt:
Vorbewusste Prozesse (Hrsg. Sauer & Leuschner)
Manfred Sauer und Sabine Emmerich
Abstract
Vorbewusste Prozesse und die Passung der Organismus Umweltbeziehung
Wolfgang Leuschner
Abstract
Kommunikative Gewalt, Verstehen und Vertrauen – Eine linguistisch-psychodynamische Analyse eines narzisstischen Werbetextes
Mathias Gößling und Silke Eckert
Abstract
Kommunikative Gewalt, Verstehen und Vertrauen – Eine linguistisch-psychodynamische Analyse eines narzisstischen Werbetextes
Philipp Soldt
Abstract
Die Prozessualität der ästhetischen Erfahrung: Die Bearbeitung unbewusster Entwicklungskonflikte im Kontakt mit Kunst
Christiane Eichenberg und Sabine Harm
Abstract
Der Umgang von Funktionsträgern und Hilfseinrichtungen mit traumatisierten Menschen: Was sind förderliche und hinderliche Faktoren für die Traumabewältigung?
Frank Neuner (2008), in: Verhaltenstherapie, 18 (2), 109-118.
Abstract
Stabilisierung vor Konfrontation in der Traumatherapie – Grundregel oder Mythos?
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Vorbewusste Prozesse und die Passung der Organismus Umweltbeziehung
Manfred Sauer und Sabine Emmerich
Zusammenfassung
Die Methoden der Neurowissenschaften erlauben erstaunliche Einblicke in die Struktur und die Funktionsweise des menschlichen Gehirnes. Die Ergebnisse werden in aller Regel nach dem Modell einer trivialen Maschine, das heißt, nach mechanischen Ursache-Wirkungs-Relationen interpretiert.
In Ergänzung hierzu stellen wir eine Interpretation nach dem Modell der Beziehung zwischen Organismus und Umwelt, das heißt, nach semiotischen Ursache-Wirkungsbeziehungen am Beispiel vorbewusster Prozesse vor und erläutern diese Interpretation an zwei praktischen Beispielen.
Schlüsselwörter
semiotische Ursachen; vorbewusste Prozesse; Passung der Organismus Umweltbeziehung
Preconscious Processes and the Adaptation of the Relationship between the Organism and the Environment
Summary
Neurological methodology permits astonishing insights into the structure and functioning of the human brain. The results are usually interpreted using the trivial machine model, that is the mechanistic cause and effect model.
In addition we give an interpretation according to the relationship between an organism and its environment, in other words the semiotic cause and effect relationship taking as aan example the preconscious processes and we illustrate this interpretation with two practical examples.
Keywords
semiotic cause; preconscious processes; adaptation of the organism/environment relationship
Über Struktur und Leistungen des Vorbewussten
Wolfgang Leuschner
Zusammenfassung
Es werden experimentelle Untersuchungen und klinische Befunde vorgestellt, die zeigen, dass die Leistungen des Freudschen Vorbewussten weitaus umfassender sind, als bisher angenommen. Ubiquitär im Psychischen wirksam, operiert es im Verbund mit den beiden Systemen ‚Bewusstsein’ und dem ‚dynamisch Unbewussten’. Es erweist es sich insgesamt als „Vorbewusstes Processing System“ (VPS), das an allen psychischen Vorgängen beteiligt ist. Sein zentraler Schaltmechanismus ist der Sach-Wortvorstellungskomplex, der Wahrnehmungen, sowie Vorstellungs- und Affektkomplexe sowohl auflöst wie auch neu verbindet, d.h. dissoziiert und aus den so entstanden Fragmenten Neues reassoziiert. Das VPS aktualisiert Vergangenheit, indem es Verbindung zu frühen Wahrnehmungsspuren herstellt. Er spielt eine entscheidende Rolle bei der Sprach- und Traumproduktion und es generiert unwillkürliche Handlungen. Ebenso wird die therapeutische Beziehung von vorbewussten Wahrnehmungen gestaltet, die in die Einfälle der Patienten und in die Interventionen des Analytikers einfließen.
Schlüsselwörter
Vorbewusstes Processing; Subliminale Traumforschung; Dissoziation-Reassoziation; Vorbewusste Kommunikation;, Sach-Wortvorstellungskomplex
On Structure and Performance of the Preconscious
Summary
Experimental studies and clinical findings are presented, which show that activities of Freuds preconscious is by far broader than hitherto assumed. It comprehends more than the so called cognitive unconscious. Ubiquitary active in the psyche it operates in compound with both systems, the ‚consciousness‘ and the ‚dynamic unconscious‘. It proves altogether as a “Preconscious Processing System” (PPS), which is engaged in all psychic activity. Its central circuit mechanism is the thing-word-complex, which dissolves as well as re-connects perceptions, as conception- and affect-complexes, i.e dissociates and reassociates thus emerging fragments. The PPS actualizes past by connecting new contents to earlier memory-traces. It plays a crucial role in speech- and dream-production and generates involuntary/automatic acts. Alike the therapeutic relation is carved by preconscious cognitions, which flow into associations of the patient and interventions of the analyst.
Keywords
preconscious processing; subliminal dream research; dissociation-reassociatio;, preconscious communication; thing-word-representation-complex
Kommunikative Gewalt, Verstehen und Vertrauen – Eine linguistisch-psychodynamische Analyse eines narzisstischen Werbetextes
Mathias Gößling und Silke Eckert
Zusammenfassung
Der Artikel beschreibt die rhetorische Strategie, das Vertrauen von misstrauischen Menschen zu gewinnen, indem man sie in ihrer individuellen Sprache anspricht. Grundlage der Beschreibung ist der von Habermas und Lorenzer formulierte Gedanke der Privatsprachen, der um einen ätiologischen und um einen taxonomischen Aspekt ergänzt wird: Ursache der Entstehung von Privatsprachen sind Double Bind-Strukturen, die wir als kommunikative Gewalt beschreiben. Systematisieren lassen sich die Privatsprachen in Analogie zu den Persönlichkeitsstörungen. Als Beispiel dient ein Werbetext, der der narzisstischen Persönlichkeitsstörung zugeordnet werden kann.
Schlüsselwörter
kommunikative Gewalt; Persönlichkeitsstörung; Privatsprache; Vertrauen; WerbungCommunicative Violence, Understanding, and Trust – A Linguistic-Psychodynamic Analysis of a Narcissistic Advertising Text
Summary
The article describes a rhetorical strategy to win the trust of distrustful persons by addressing them in their individual languages. The description is based on the concept of private languages as it was proposed by Habermas and Lorenzer. This concept is complemented by an etiological and a taxonomic aspect: The formation of private languages is caused by double bind structures that we describe as communicative violence. The private languages can be organised in clusters whose prototypes parallel the personality disorders. An advertising text that can be related to the narcissistic personality disorder is analysed as an example.
Keywords
advertising, communicative violence, personality disorder, private language, trust. Perhaps one did not want to be loved so much as to be understood.
– George Orwell, 1984
Die Prozessualität der ästhetischen Erfahrung: Die Bearbeitung unbewusster Entwicklungskonflikte im Kontakt mit Kunst
Philipp Soldt
Zusammenfassung
Das Konzept der ästhetischen Erfahrung ist innerhalb der letzten dreißig Jahre zum zentralen Bezugspunkt der Ästhetik geworden. In der (kunst)ästhetischen Erfahrung geraten Sehweisen auf bzw. Wahrnehmungsvollzüge mit wahrnehmungsoffenen Objekten in ein prozessuales Spiel, das in der Lage ist, die gewöhnliche Erfahrung zu überschreiten. Wendet sich die Psychoanalyse konsequent ästhetischen Rezeptionsprozessen zu, dann kann nicht nur die philosophisch beschriebene Dynamik des ästhetischen Spiels vom psychischen Innenraum her theoretisch erschlossen und in Hinsicht auf das unbewusste Subjekt vertieft werden. Es öffnet sich auch ein empirisches Forschungsgebiet, das sich an die Methodik der qualitativen Psychotherapieforschung anlehnen und diese für die psychoanalytische Kulturwissenschaft nutzen kann. Anhand von Fallbeispielen aus der eigenen Forschung wird gezeigt, wie ästhetische Erfahrungen mit Bildern die Möglichkeit bieten, unbewusste Konflikte zu (re)dynamisieren und in Auseinandersetzung mit der anschaulichen Präsenz des Werks als sinnlichem Gegenüber durchzuarbeiten.
Schlüsselwörter
Ästhetische Erfahrung; Kunstrezeption; Psychoanalyse und Kunst; Malerei; Spiel; Konflikt; Durcharbeiten
The processuality of aesthetic experience: About the processing of unconscious developmental conflicts in contact with works of art
Summary
Within the last thirty years the concept of aesthetic experience has become the most central reference point of (philosophical) aesthetics. In the course of the aesthetic experience of works of art modes of perception of openly structured objects come into a processual kind of play by the means of which normal experience is able to be exceeded. If psychoanalysis consequently turns towards aesthetical processes of perception not only the philosophically elaborated dynamics of play can be conceptualized in terms of psychic reality and accentuated with regard to the unconscious subject. Furthermore there opens a promising field of empirical research that can pick up the rich arsenal of methodology of qualitative psychotherapy research and transfer it to the field of psychoanalytical cultural studies. By means of case studies out of the author‘s research program it can be shown how aesthetical experiences with paintings offer the possibility to (re-)dynamize unconscious conflicts and come to a kind of „working-through” in contact with the sensual presence of the work of art.
Keywords
Aesthetic experience; reception of art; psychoanalysis and art; painting; play; conflict; working through
Der Umgang von Funktionsträgern und Hilfseinrichtungen mit traumatisierten Menschen: Was sind förderliche und hinderliche Faktoren für die Traumabewältigung?
Christiane Eichenberg und Sabine Harm
Zusammenfassung
Theoretischer Hintergrund: Ob Menschen nach extremen Lebensereignissen eine Traumafolgestörung ausbilden, hängt von verschiedenen Risiko- bzw. protektiven Faktoren ab. Inzwischen ist empirisch belegt, dass negative Erfahrungen mit Behörden (z.B. Polizei, Versorgungsamt, Justiz) und Hilfspersonen (z.B. Ärzte, Psychotherapeuten) das Risiko deutlich erhöhen und somit zu den Belastungsfaktoren zu zählen sind, die eine Chronifizierung der traumatischen Reaktion begünstigen (Bering, 2005; Bering et al., 2007; Fischer et al., 1999; Hammel, 2005). Methode: Mittels einer Online-Befragungsstudie an N = 272 Personen, die traumatische Erfahrungen machen mussten, wurde untersucht, welche Erfahrungen die Betroffenen mit verschiedenen Institutionen machten und welchen Umgang sie sich gewünscht hätten. Ergebnisse: Die Hauptbefunde zeigen, dass fast die Hälfte der Befragten negative Erfahrungen mit dem Versorgungsamt, der Justiz sowie der Polizei machen mussten, während Beratungsstellen und Psychotherapie überwiegend positiv bewertet wurden. Krankenkasse und Ärzte erhielten ambivalente Rückmeldungen. Als belastende Aspekte wurden insbesondere Unglaube, unzureichende Hilfestellung sowie Rücksichtslosigkeit genannt; als unterstützend wurde Verständnis, Aufklärung, Transparenz und die Möglichkeit zur Mitbestimmung erlebt. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Studie legen nahe, insbesondere Mitarbeitern des Versorgungsamtes, der Polizei, der Justiz, der Krankenkasse aber auch Ärzten psychotraumatologische Grundkenntnisse zu vermitteln. Es werden Empfehlungen für den optimierten Umgang mit Opfern insbesondere für die Funktionsträger gegeben, deren Tätigkeit nicht primär die Verbesserung der psychosozialen Situation der Betroffenen zum Ziel hat.
Schlüsselwörter
Psychotrauma; posttraumatische Belastungsstörung; Funktionsträger; Hilfsangebote
Interaction of officials and auxiliaries with traumatized people: What are helpful factors and what are obstructive factors in coping with trauma?
Summary
Theoretical background: Whether or not people develop post-traumatic stress symptoms after severe experiences depends upon various risk or protective factors. By now it has been empirically proven that negative experiences with authorities (e.g. police, pension office, judiciaries) and auxiliary persons (e.g. doctors, psychotherapists) considerably increase the risk factors and are therefore to be counted among stress factors that may contribute to the chronification of a traumatic reaction (Bering, 2005; Bering et al., 2007; Fischer et al., 1999; Hammel, 2005). Method: An online-questionnaire of N = 272 persons that had traumatic experiences surveyed what experiences these persons had with various institutions. Results: The study revealed that almost half of those questioned had negative experiences with the pension office, judiciaries as well as police officers, while counseling offices and psychotherapy were considered overall helpful. Health insurances and doctors were rated ambivalently. Disbelief, insufficient support as well as inconsideration were listed as straining; empathy, clarification, transparency and enabling self-involvement were considered helpful. Conclusion: The results of the study suggest that knowledge of psychotraumatology should be imparted especially to employees of pension offices, police, justice and health insurances but also doctors. Recommendations for an optimized interaction with victims are conveyed to officials in particular, whose function doesn‘t primarily aim to ameliorate the psychosocial situation of victims of traumatic events.
Keywords
Psycho trauma; posttraumatic stress disorder; officials; auxiliary organizations
Stabilisierung vor Konfrontation in der Traumatherapie – Grundregel oder Mythos?
Frank Neuner (2008), in: Verhaltenstherapie, 18 (2), 109-118.
Forum-Beitrag ZPPM
Im Folgenden wird der o.g. Artikel kommentiert, der in der Zeitschrift Verhaltenstherapie erschienen ist. Der sich anschließende Kommentar wurde auch der Zeitschrift Verhaltenstherapie zum Wiederabdruck angeboten.
Im Folgenden geben wir unter A) den Titel des Artikels und die Zusammenfassung wieder. Unter B) folgt dann unser Kommentar.
A) Zusammenfassung
In der Psychotherapie der posttraumatischen Belastungsstörungen werden die Phasen der Stabilisierung und Konfrontation unterschieden. In der Stabilisierungsphase soll der Patient Strategien zur Regulation von Affekten und zur Kontrolle der Symptomatik erwerben, bevor in der Konfrontation die Erinnerung an die traumatische Erfahrung aufgearbeitet wird. Im deutschen Sprachraum wird von Fachgesellschaften und in Lehrbüchern postuliert, dass vor einer Konfrontation mit der traumatischen Erinnerung unbedingt eine Stabilisierung zu erfolgen habe. Die Evidenz aus den vorliegenden randomisiert kontrollierten Therapiestudien zeigt dagegen, dass die sogenannten Traumafokussierten Therapieverfahren (Varianten der kognitiven Verhaltenstherapie, der Expositionstherapie und EMDR) am erfolgreichsten sind. Diese werden auch von den internationalen Fachgesellschaften empfohlen oder vorgeschrieben. Die Traumafokussierten Verfahren beinhalten alle eine unmittelbare Konfrontation und es ist keine oder nur eine rudimentäre Stabilisierung vorgesehen. Expositionstherapien führen nicht häufiger zu Verschlechterungen, werden nicht häufiger verweigert und nicht häufiger abgebrochen. Es gibt also keinen Beleg dafür, dass Expositionsverfahren gefährlicher sind als stabilisierende Verfahren oder von den Patienten schlechter akzeptiert und toleriert werden. Die vorliegende Datenlage spricht auch nicht für die Notwendigkeit einer Stabilisierungsphase für komplex traumatisierte Patienten, wie erwachsenen Patienten nach sexuellem Missbrauch in der Kindheit. Entgegen der häufig vertretenen Lehrmeinung ist eine Stabilisierungsphase in der Traumatherapie nicht notwendig und negative Effekte der Stabilisierung können nicht ausgeschlossen werden.
Interessierte Leserinnen seien zur näheren Kenntnisnahme auf die Originalpublikation (s.o.) verwiesen.
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